Sahajayoginichinta war eine Sahajiya-Yogini des achten Jahrhunderts, Ihre Lehren prägten einen der stärksten Momente des Tantra aus Uddiyana, einem Nachbarland des Kaschmir. Es ist das Geburtsland zahlreicher Siddhas; einer von ihnen, Padmasambhava brachte diese Lehren in den Tibet. Sahajayoginichinta war die Schülerin einer anderen berühmten Yogini, der Prinzessin des Reiches Lakshminkara. Sahajayoginichinta hatte viele Schüler, darunter Ghanthapa, der diese Tradition nach Orissa brachte.
Als sich glorreiche Yoginis, strahlend vom Glanz selbstentstehender Weisheit, an dem überragenden demantenen Ort Uddiyana versammelten, begab sie sich in die "unzerstörbare kosmische Versenkung", die unmittelbar die kraftvolle Energie der Wahrheit der Wirklichkeit vermittelt, welche ohne Fehl ist und aus der Erkenntnis der höchsten Wahrheit aufsteigt. Und die "Erkenntnis der Wirklichkeit anhand ihres körperlichen Ausdrucks" strömte wie ein süsser Fluss von herrlicher Glückseligkeit ohne das geringste Stocken von ihren blühenden Lotoslippen.
Damit das eigene innere Selbst erkannt werden kann,
das ja spontan, ursprünglich rein und nichtdual ist,
manifestiert sich das innere Selbst hier als Mann und Frau.
Das eigene Selbst, von Natur aus schöpferisch,
inszeniert die Wirklichkeit als körperlichen Ausdruck.
Wenn er eine entzückende Frau sieht,
Erleuchtung also spontan in verkörperter Form erscheint,
schaut ein Buddha sie mit spielerischer Leidenschaft an
und Verlangen nach Wonne und Glückseligkeit entsteht.
Dann, mit tiefgründigen Liebeslauten,
erfreut sich das Selbst
wie ein Tänzer, wie in einem Traum,
an den fünf natürlichen Arten erotischen Spiels.
Dann, mit sanften und ehrlichen Worten,
zieht er sie an sein Herz.
Er reibt sie ein mit starkem Parfum
Und erfreut seinen Geist an dem Nachklang des Dufts.
Haben sie dieses erfahren
Und Glückseligkeit und Wonne
Gleich hundert Vasen voll Nektar erzeugt,
umarmen sie sich ohne zu zögern
und geniessen die Abstufungen der Seligkeit.
Die Liebhaberin, mit verlangenden Blicken,
spricht Worte, süss wie Honigseim,
Sie vereint sich mit ihm,
bewegt die Lotusblüte,
die den Regen der Wonne bringt.
Das innerste Selbst, auf seine Absicht bedacht,
sollte gesammelt bleiben,
während man sich
den unterschiedlichen Arten von Küssen widmet
um des einen Geschmackes willen,
während man sich der Vielfältigkeit des Liebesspiels hingibt,
wie beissen, kneifen und so weiter.
Wenn sie dann intensive Glückseligkeit hervorgerufen haben,
kratzen sie sich ab und zu
sanft mit ihren Fingernägeln,
um die Verblendung zu zerstreuen.
Durch den Geschmack des Verlangens
Weiss man allmählich nicht mehr,
wer der andere ist und
was einem selbst geschieht.
Die Liebenden erfahren unaussprechliche Seligkeit,
wie sie niemals zuvor erlebt haben.
Beide [der Mann und die Frau]
Sind durch einen Strom von Vorstellungen gebunden,
die im Geist entstehen und aufsteigen.
Solange sie aber vereinigt sind,
wird der Geist an nichts anderes denken -
sie sind allein der Wonne gewahr.
Leidenschaftlich seufzend, werden beide,
unabgelenkt durch irgend etwas anderes,
überströmende, unübertreffliche Wonne erlangen und sie
noch steigern.
Sie erwachen aus dem Dunkel der Unwissenheit,
indem sie sich an den reichen Aktivitäten der Glückseligkeit erfreuen
und Seligkeit und Wonne entwickeln und steigern.
Die menschliche Wonne, mit ihren besonderen Merkmalen,
ist eben das, was zur spirituellen Ekstase wird,
wenn ihre Merkmale beseitigt sind -
frei von begrifflichem Denken,
die Essenz der selbsterscheinenden Weisheit an sich.
Weil der Geist, von einem subtilen Wind getragen,
seine ursprüngliche Essenz heiliger Glückseligkeit sucht,
wird er, sobald er befriedigt ist,
nicht mehr von anderen Dingen abgelenkt.
Er ruht in strahlender Wirklichkeit,
deren Essenz Methode und Weisheit ist.
Die heilige Glückseligkeit wird durch Wonne gefestigt
Durch höchstes Entzücken am Glück der anderen.
Wie soll man die Kinder erwecken,
deren inneres Leuchten verdunkelt ist,
durch das anfanglos wuchernde Karma?
Alle Bewegungen des Körpers,
die spontan aus dem erleuchteten Geist hervorgehen,
sind ihrem Wesen nach rein
und werden zu heiligen Gesten.
Was immer man spricht, es ist heilige Rede…
Alles Tun, sei es anmutig, heroisch, furchterregend,
Mitfühlend, wütend und friedlich,
sowie Leidenschaft, Zorn, Stolz, Gier und Neid -
alles dies ist ohne Ausnahme
die vollkommene Form
der reinen selbsterleuchtenden Weisheit.
Eine geschickte Frau,
die den Reichtum all dieser Dinge
als ursprünglich rein nutzen kann,
hält die grossen Vollendungen der höchsten Buddhaschaft
in ihrer Hand.
Übersetzung Thomas Geist/Heike Münnich